Hallo Kinder!
Die letzten drei Tage hat es stark geschneit. Heute ist es wunderschön, die Sonne lacht vom blauen Himmel, wir toben im Pulverschnee und sausen den Hang hinunter. Endlich, endlich darf ich auch dazu gehören! So toll wie meine Freunde kann ich natürlich nicht Skifahren, aber ich probiere es so gut es eben geht.
Florian, Felix und Alois necken mich immer. Sie rufen: „He Ali, du wirst der beste arabische Skifahrer der Welt werden!“ Dann schubsen sie mich, ich rutsche bergab, falle auf den Bauch, meine Füße sind total verdreht, mein Skihelm hat sich selbstständig gemacht und die Skistöcke liegen irgendwo. Der Schnee ist kalt auf meinem Bauch, aber ich lache und ich bin richtig glücklich! Meine Freunde stellen mich wieder auf die „Bretter“ und ziehen mich gemeinsam im „Treppenschritt“ ein Stück den Hügel hinauf.
Ja, ich heiße wirklich Ali und komme aus Syria. Meine Eltern, meine kleine Schwester und ich sind hier in Österreich gelandet. Ich kann schon sehr gut Deutsch und kenne alle Schimpfwörter! Jetzt ist mein größter Wunsch in Erfüllung gegangen. Alois hat mir die Skier von seinem Papa aus einer Rumpelkammer geholt und geschenkt, am Flohmarkt haben wir passende Skischuhe gefunden. Anfangs habe ich eine Mütze fest um die Ohren gezogen, aber dann hat mir eine Frau aus dem Dorf einen Helm von ihrem Enkel geschenkt. Die Leute sind wirklich nett hier!
Gestern wollte ich wieder einmal hinauf auf die Piste um zu üben, doch meine Ski waren weg! Ich habe sie doch ordentlich zusammengeschnallt und im Hausflur abgestellt. Überall habe ich gesucht, nirgends eine Spur... Ich habe mir zwar vorgenommen, nie zu weinen, es hat nichts genützt. Ich hab’ geweint wie ein Baby. Was werden meine Freunde sagen, wenn wir nicht mehr miteinander auf der Kitzalm Skifahren können, weil meine Ski gestohlen worden sind. Dann bin ich wieder allein, der Ausländer, der Araberbub.
Im Dorf gibt es eine Neuigkeit: Das Skimuseum. Die Erwachsenen sammeln alte Ski aus ihrer Kinderzeit. Auch Skischuhe zum Schnüren und richtige Holzskier mit ledernen Riemen, alte Schwarz/Weißfotos, seltsame Handschuhe, Pullover und kleine Rodeln. Sogar einen Hundeschlitten soll es geben. Alle sind voller Eifer dabei, die Geschichte des Skifahrens in unserem Dorf herzuzeigen. In den Weihnachtsferien, wenn die Urlaubsgäste da sind, soll das Skimuseum eröffnet werden. So war es auch.
Es ist ein schönes Fest geworden. Der Bürgermeister, der Schuldirektor, wichtige Leute von der Seilbahn und natürlich fast alle Leute aus unserem Dorf waren da. Auch ich, der Araber–Ali war mit meinen Freunden, dem Florian, dem Felix und dem Alois dabei. Doch was sehe ich in einer Ecke lehnen? Meine Skier, meine Ski, die mir der Alois geschenkt hat! Mir sind die Tränen in die Augen geschossen, aber ich habe nichts gesagt. Die anderen haben sich plötzlich gegenseitig schweigend angeschaut. Alois hat mit den Achseln gezuckt, hat sich umgedreht und ist weggegangen.
Die nächsten Tage und Wochen bin ich halt allein am Rand der Piste hinaufgestapft und habe den Skifahrern zugeschaut, bis mir kalt geworden ist. Meine drei Freunde waren auch immer da. „Hi Ali! Heute keine Ski? Hat sich der Dieb noch nicht gemeldet? Geh doch zur Polizei!“ Dann sind sie laut lachend auf ihren Skiern hinuntergesaust.
Ja, und dann ist etwas Wunderbares geschehen: Die Beichte! Bei uns gibt es so etwas nicht. Vor Weihnachten, dem großen Fest der Christen, gehen viele Erwachsene und auch die meisten Mitschüler in die Kirche. Dort beten alle und dann darf jeder dem Priester ganz leise sagen, was ihn bedrückt. Nachher sind die meisten wieder lustig und lachen und sagen, dass Gott ihnen die Sünden und Fehler verziehen hat. Nur Alois hat den Kopf hängen lassen und ich habe gesehen, wie er allein durch unsere Gasse geschlendert ist. Seltsam!
Am Tag darauf hat er mir zugeflüstert: „Du Ali, ich muss dir etwas Unangenehmes sagen. Hörst du mir zu?“ „Ok“, habe ich genickt, „schieß los“. „Ich, ich – habe dir deine Skier gestohlen. Ich habe mir gedacht, bei dir ist es egal, wenn du nicht Skifahren kannst. Weißt du, mein Papa hat die Skier gesucht und mir gesagt, dass der Bürgermeister für wirklich alte Ski fünfzig Euro zahlt. Ich habe gewusst, dass du sie hast und habe sie dir einfach gestohlen. Ich weiß, das war gemein von mir. Sei mir nicht böse, du bist so mutig und nett.“
Dann hat er einen zerknitterten 50 Euroschein aus dem Hosensack gezogen und hat ihn mir in die Hand gedrückt. „Wir müssen nämlich alles wieder gut machen“, hat er gemurmelt. Ich war so erstaunt, dass es so etwas gibt. Ich will den Fünfziger nicht nehmen, weil ich den Alois so cool finde.
So haben wir uns eine Weile gestritten, bis wir vor lauter Lachen in den nächsten Schneehaufen gefallen sind.
Natürlich hat sich diese Geschichte im Dorf herumgesprochen. Die Erwachsenen sind oft ziemlich geschwätzig. Der Jugendskiklub unseres Dorfes hat mir eine Skiausrüstung gesponsert, weil ich angeblich sehr viel Talent zum Rennläufer habe.
Ein gesegnetes Weihnachtsfest
eure Hannelore
Hallo, liebe Rätsellöser-Kids
Warum ist das Verhalten von Alis Freund so fies?
Hier sind zwei Worte versteckt. Finde sie und sende sie uns zu!
Sende die richtige Antwort an:
FRK, Postfach 695, A-1011 Wien;
Einsendeschluss: 25. Februar 2022
Vergiss nicht, dein Alter anzugeben.
Schöne Bücher warten auf dich.
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