Inhalt:
Herr, dich loben die Geschöpfe (GL 466)
Alle Schöpfung lobe den Herrn
Gleich dreimal ist der Sonnengesang des Franz von Assisi im neuen Gotteslob zu entdecken: als ins Deutsche übersetzter Urtext (GL 19,2), als Fassung nach der Filmmusik aus dem 1972 gedrehten Franziskus-Streifen von Zefirelli (GL 864) sowie – neu – in einer mitreißenden Vertonung aus dem 19. Jahrhundert (GL 466).
So wichtig scheint in unserer Kirche also das Lob der Schöpfung zu sein – aber ist es das wirklich? Immer wieder wird Kritik laut, dass das Christentum in seiner Menschenzentriertheit eine große Mitschuld trägt an der fortschreitenden Zerstörung der Erde und ihrer Geschöpfe. Der mangelhaft übersetzte und falsch interpretierte Auftrag Gottes „Macht euch die Erde untertan“ (Gen 1,28) hat bis heute fatale Folgen für die nicht-menschlichen Geschöpfe.
Gotteslob als Antwort auf Gottes Liebe
Gebete wie der Sonnengesang können uns zum Umdenken und zur Umkehr motivieren. Bei Franziskus wird die Schöpfung keineswegs romantisch verklärt. Der Heilige nimmt vielmehr die Schöpfung wahr in ihrem Bezogensein auf den Schöpfer: Durch alles Geschaffene wird Gott gelobt, sagt der heilige Franz. Damit verleiht er den Geschöpfen höchsten Wert, ist doch das Gotteslob der Schöpfung die Antwort auf Gottes Liebe zu seinen Kreaturen.
Wenn nun wir Christen im Gesang in das Lob der Schöpfung einstimmen, dann stellen wir uns in eine Reihe mit allen Mitgeschöpfen: Alles wird wichtig und wertvoll, sogar „Bruder Tod“, denn er befreit uns mit allen Kreaturen zuletzt zur „Herrlichkeit der Kinder Gottes“ (Röm 8,21).
Bevor wir in das Lob der Schöpfung einstimmen, sollten wir Christen allerdings überdenken, ob unsere Lebensweise auch nur ansatzweise im Einklang mit unserer nicht-menschlichen Mitwelt steht. Immer wieder macht es mich betroffen, wie katholische Institutionen fast täglich Fleisch aus industrieller Massentierhaltung servieren. Oder beim Pfarrfest aus Gründen der Bequemlichkeit die Getränke in Plastikbechern ausgeschenkt werden. Mehr Ehrfurcht wäre da von uns gefordert.
Dr. Wolfgang Kimmel, Pfarrer in Wien-Dornbach