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»Du teilst es aus mit deinen Händen« (GL 209)
Die Worte sind schlicht. Die Musik hüllt sie in einen Klangleib,
quasi parlando. Die mehrfachen Taktwechsel sind kein Problem, wenn der Gesang sich vom natürlichen Duktus der Worte leiten lässt. Gleich der Beginn ist wichtig. „Du teilst es aus …“ macht dieses Lied zu einem Gebet. Wir sind mitten in der Zwiesprache mit dem Geber aller Gaben. Außerdem wird von Anfang an das Missverständnis abgewehrt, dass wir das alles tun. Nein, der Herr ist der Handelnde, zu dem wir „Du“ sagen dürfen. Er lädt zu seinem Gastmahl ein, damals am Gründonnerstag wie heute.
Im Mittelpunkt steht Jesus: was er sagt und was er tut.
Diesen beiden Aspekten entspricht der Aufbau dieses Liedes: Die rahmenden Strophen „Du teilst es aus …“ (1) und „Du schenkst uns ein …“ (4) beschreiben Jesu Handeln. Die mittleren Strophen „Das ist mein Leib …“ (2) und „Das ist mein Blut“ (3) erinnern an seine Worte, die sogenannten „Einsetzungsworte“. Damit greift das Lied eine theologische Erkenntnis auf: Jesu Worte und sein Handeln für die anderen, bisweilen auch als „Pro-Existenz“ bezeichnet, bilden eine unverbrüchliche Einheit. Und wer davon singt, was Jesus sagt und was er tut, der erfährt, wer er ist.
Die Formulierung „das immer neue Brot“ steckt einen weiten Horizont ab. Zunächst in Richtung des Volkes Israel und seiner Erfahrungen mit dem „Manna“ in der Wüste. Zugleich aber in die Richtung von hier und heute, weil wir am Geschehen des Abendmahls, das im Zentrum steht, teilhaben. Die Aufforderung „Tut dies zu meinem Gedächtnis“ klingt in der zweiten Strophe nach: „… damit ihr immer an mich denkt“.
Noch weitere wichtige Bibelstellen klingen an: in der dritten Strophe etwa das letzte Wort Jesu am Kreuz „Es ist vollbracht.“; in der vierten noch ein anderes Jesuswort aus dem Johannesevangelium, nämlich Jesu Verheißung, dass seine Jünger eins sind im Glauben (Joh 17,11). Auch wenn die Bitte „und lass uns deine Zeugen sein“ immer noch verdunkelt ist durch die konfessionelle Spaltung.
Die dritte Strophe ist insgesamt eine Art Echo des Jesuswortes vom „Blut des Neuen Bundes“. Die vierte bringt zweimal zwei Dinge zusammen. In der Formulierung „das Blut der Trauben“ klingt die Wandlung an. Der „bittersüße Wein“ wiederum deutet die Passion Jesu als bitterste Erfahrung, die jedoch in geistlicher Deutung und aus österlicher Perspektive süße Früchte trägt. Solche Formulierungen wie „bittersüß“ begegnen häufig in mystischen Texten; „recht bitter und doch süße“ ist das Leiden des Herrn in der Arie „Ich will bei meinem Jesu wachen“ in Johann Sebastian Bachs berühmter Matthäuspassion (1727).
Eine gesungene Erinnerung
Musikalisch fällt auf, dass nur die erste der insgesamt vier Zeilen mit einem Ton beginnt, nämlich dem Grundton c. Alle weiteren Zeilen setzen mit einer Achtelpause ein, auf die der Ton folgt, der zuvor bereits erreicht war. So entsteht der Eindruck großer Geschlossenheit; jede Strophe besteht nämlich nur aus einem Satz. Die Melodie ist eine Art schlichter Rezitation, schrittweise von Ton zu Ton. Nur einen einzigen Quintsprung gibt es und zwar am Ende der dritten Zeile. Insgesamt ist dieses Lied eine gesungene Erinnerung an das, was sich in der Feier der Eucharistie vollzieht. Der eher introvertierte Charakter der Musik unterstützt dies und fügt sich besonders gut an das Ende der Kommunionspendung.
Meinrad Walter