Freitag 22. November 2024

Mit Smartphone ins Hochamt

Seit einigen Wochen kann ich im Gottesdienst Dank des digitalen Gotteslobs, meines Smartphones und meiner Minibraillezeile alle Lieder mitsingen - fast alle.

Besonders das iPhone erfreut sich unter blinden Menschen immer größerer Beliebtheit. Es kann die Bildschirminhalte vorlesen und so gerade unterwegs eine Menge nützlicher Informationsquellen und Kommunikationsmöglichkeiten erschließen. Mit einer drahtlos angeschlossenen Braillezeile kann man das iPhone auch per Punktschrift nutzen. Smartphones machen einen als Minicomputer immer erreichbar per Anruf, Mail, Chat oder Kurznachricht und ermöglichen es, immer und überall in die digitale Welt abzutauchen. Das bringt bei weitem nicht nur Vorteile. Aber für mich bedeutet es seit kurzem mehr Teilhabe am Gemeindeleben.

Der Blindenschriftverlag Paderborn bietet das neue Gotteslob in Punktschrift an. Ich kann mir aber nicht vorstellen, die zahlreichen Bände zu lagern und Sonntags immer mehrere davon in die Kirche zu transportieren. Das Gotteslob gibt es in Paderborn aber auch digital als Datei. Ich habe es bestellt und innerhalb weniger Minuten per E-Mail erhalten.

Die Organistin sendet mir nun ebenfalls per Mail vor dem Gottesdienst die Liednummern, und ich kopiere die Lieder, die gesungen werden, aus dem digitalen Gotteslob, sende sie zu meinem Smartphone und nehme es mit in die Messe. (Selbstverständlich schalte ich den Ton des Gerätes aus.) Auf meiner Braillezeile kann ich nun die Liedtexte mitlesen und mitsingen. Meine Braillezeile ist klein und handlich und stellt nur zwölf Punktschriftzeichen dar. Das macht bei schwierigen Texten, zum Beispiel auf Latein, oder bei schnellen Liedern das Mitsingen schwierig. Auch fehlt mir noch eine Lösung für die Lieder aus dem Berliner Anhang. Die sind im Braille-Gotteslob nicht enthalten.

Aber bisher konnte ich viele Lieder im Gottesdienst gar nicht mitsingen oder allenfalls die erste Strophe. Es macht Spaß, nun die ganzen Lieder mitzusingen und sie dabei überhaupt erst einmal kennenzulernen. Ich hoffe, meinen Banknachbarn, die meinen Gesang neuerdings mit anhören müssen, macht das auch Spaß.

So bringt die moderne Technik für mich eine ganz neue und intensivere Teilnahme am Gottesdienst.

Reiner Delgado

in: „Lux Vera"

Organ der Arbeitsgemeinschaft der Katholischen Blindenorganisationen im deutschen Sprachraum, Heft 1 (Jänner 2015), Seite 5.

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